Wie zwei Wolferls rocken und rollen
Salzburger Nachrichten 31.12./1.1.06
Mozart bleibt immer. Da kann es nicht schaden, seiner Musik auf den Grund zu gehen und mit der Haltung eines Rockmusikers zeitgenössische Neuschöpfungen dieses Werks zu schaffen. Wolfgang Staribacher tut das mit der Mozartband seit Jahren erfolgreich. Bernhard Flieher über einen klassischen Querschläger.
Mozart hat in seinen Opern am Anfang immer mächtig viel Pulver verschossen, dann lässt die Qualität der Melodien nach. Als Opernkomponist war er einfach sehr viel schlechter als als Instrumentalmusiker”, sagt Wolfgang Staribacher. Da werden die Mozart-Traditionalisten aber blutrot anlaufen und auf Rache sinnen. Darf man denn so reden über den heiligen Wolferl? Man darf – und wer in der Musik der Mozartband hört, wie Staribacher das meint, der wird sagen: Man muss. Und Staribacher schränkt ja auch gleich ein: “Der junge Mozart hat im Grunde Volksmusik geschrieben.”
Hier in den Klängen, die auch Mozart auf der Straße gefunden hat, fand der Universalmusiker Staribacher seinen Anknüpfungspunkt – und eine Aufgabe, die ihn seit einem Jahrzehnt beschäftigt: die Mozartband.
Zuvor spielt er unter anderem bei Drahdiwaberl, war Mitglied von “Abadie”, der Liveband von Wolfgang Ambros, und quetschte auch Akkordeon bei einer Tour von Ivan Rebroff. Dann traf er Hubert von Goisern. Das erste gemeinsame Album “Alpine Lawine” war noch kein Erfolg. Als der große Erfolg mit “Aufgeigen statt niederschiassen” kam – Staribacher war bei zahlreichen Songs Koautor (unter anderem bei den Hits “Koa Hitamadl” oder “Heast as nit”) – war Hubert von Goisern schon allein. Die beiden hatten sich im Streit getrennt.
Im Grund tun sie auf gewisse Art immer noch dasselbe wie vor rund 15 Jahren. Der eine baut die Welt in die Musik seiner alpenländischen Heimat ein. Der andere, Staribacher, zerlegt Mozart, untersucht ihn auf Beat-Kompatibilität. Dass er die Ergebnisse seiner Suche in einem klaren Pop-Kontext zwischen Jazz, Blues und Soul wiedergibt, scheint ganz logisch. Diese Musikstile sind längst die Volksmusik der Gegenwart.
Die Mozartband köchelt dabei das Mozartwerkverzeichnis, um daraus vor allem in diversen Live-Inszenierungen ein brodelndes Gemisch der Stile zu schaffen.
Unbändige Lust, zwischen allen Stühlen zu musizieren In feinen Arrangements wachsen so etwa frühe Opern oder symphonische Werke wie von Zauberhand in einem zeitgenössischen Sound zusammen. Dafür wird abgehorcht und transkribiert, Tonarten werden verändert und freilich folgen E-Gitarre, Akkordeon oder E-Bass anderer Dynamik als das herkömmliche klassische Orchesterbesetzungen tun. Mozart wird allerdings nicht unter den Errungenschaften der Popwelt begraben. Er klingt immer durch, bleibt hörbar und fühlbar. Von liebevoller Respektlosigkeit, der hörbaren Zuneigung zur Musik (im Allgemeinen und im Speziellen zu Mozart) und dem Willen zur Eigenständigkeit geprägt ist das und von der Lust, zwischen allen Stühlen zu musizieren.
“In der Klassik fühlte ich mich nie hundertprozentig zuhause”, sagt Sängerin Yasmine Piruz. Sie variiert ihren Mezzosopran scheinbar mühelos zwischen bodenständigem Folk und Schwindel erregenden Koloraturen. Variationen in alle Richtungen, spielen, um zu unterhalten und dabei niemals den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen, sondern das größte mögliche Risiko eingehen: Das ist das Prinzip dieser Band (die auch deshalb so heißt, um stets an den Popkontext zu erinnern).
An der Kompositionskunst von Mozart braucht ohnehin niemand weiterzuarbeiten. Schon Zeitgenossen und jede Menge Nachfolger haben die studiert, so gut es ging verfeinert und in ihren Werken verwendet. Staribachers Interesse liegt an der Grundsubstanz, die Mozarts Werke nährt. Er will den Zutaten der Suppe auf den Grund gehen, die uns Mozart genussvoll löffeln lässt seit 250 Jahren.
Dabei unterscheidet er sich massiv von üblichen Crossover-Projekten zwischen Pop und Klassik. Wo etwa Vanessa Mae mit Sexappeal den Umstand wettzumachen versucht, dass sich nichts tut als klassische Musik mit Mitteln der Popmusik-Produktion aufzupeppen, dringt Staribacher tiefer. Er legt die Stile nicht beliebig übereinander, um simplifizierend beide Welten dann doch halb zu bedienen. Er ist Rockmusiker. Darauf besteht er. Das ist zu hören.
Mozart dient als Ausgangspunkt einer Suche, deren Ergebnis Staribacher zwar nicht vorherbestimmt, aber durch den Willen, in einem Pop-Kontext auftauchen zu müssen, gewissen Grundregeln zu folgen hat. Es geht nicht um das Aufwärmen des allseits Bekannten, obwohl dieses Bekannte massiv genutzt wird. Das Bekannte dient aber nicht zur Erinnerungsarbeit, mit dem neue Interpretationen transportiert werden sollen, sondern dazu, tatsächlich Neufassungen auf Basis einer Rockmusiker-Haltung zu schaffen. Es geht – so simpel wie schwierig gleichzeitig – um die Suche nach neuer Musik. Und es geht darum, das Ergebnis so zu gestalten, dass immer hoch Freiräume für Improvisationen bleiben.
So ergeben sich neue, zeitgemäße Blickweisen auf Mozart (und vor allem seine Wurzeln in der Volksmusik), die bei anderen Projekten der Wiederaufbereitung und Neudefinition Mozart’schen Schaffens in einem nichtklassischen Zusammenhang nicht zu finden sind.
Statt Mozart mit Rock niederzumetzeln oder ein süßliches Klassik-Pop-Mischmasch anzurühren, dass das Schmalz rinnt, arbeitet er sich akribisch zur Grundsubstanz vor. Soul, Volksmusik, Jazz? Egal, Mozart bleibt immer hörbar Mozarts Musik wird beim Entstehungsprozess einer Mozartband-Arbeit zerlegt in ihre Einzelteile. Diese werden abgetastet, gedreht und gewendet und aus ihrem dramaturgischen Grundgerüst gerissen. Aus diesem Grundmaterial entwickelt Staribacher seine Popfassungen, die genauso gut im Jazz schöpfen, wie in der Weltmusik, beim Blues oder Soul.
Dass das erste Album “Soul” hieß (erschienen 2002), folgt einer einfachen Konsequenz: “Der Name der Band beschreibt ja das Projekt völlig.” Es hätte so gesehen auch “Volksmusik” oder “Jazz” heißen können. Bis in die frühen 90er Jahre hat Staribacher “Mozart überhaupt nicht gehört”. Danach habe er angefangen, “ihn mit der Ziehharmonika in die Gegenwart zu holen”. Mittlerweile wuchs das Projekt auf zehn Personen an.
Geglückt ist es Staribacher und seinen Mitstreitern, jenseits aller Schubladen und Formatierungen, ein breit gefächertes Publikum jenseits traditioneller Wege ebenso wie für Jazz und Pop auch für die Klassik zu gewinnen.
Ein Bravourstück lieferte Staribacher, der dutzende Musiker testete, um die Idealbesetzung zu finden, gleich zu Beginn der Karriere ab. Bei den Wiener Festwochen 1999 wurde seine Fassung der Mozart-Jugendoper “Il re pastore” gefeiert. Danach folgten unter anderem die umjubelte “Gauklersonate” beim Münchner Tollwood-Festival in den Jahren 2003 und 2004.
In Wien hat Staribacher in Kooperation mit den Bundesgärten und dem Aktionsradius Augarten auf für das Jubiläumsjahr 2006 Großes vor. Intensiv laufen die Arbeiten für ein umfangreiches, zweitägiges Open-Air-Projekt im Mai. Einen dritten Tag wird es im September geben. Die Wahl des Augartens als Aufführungsort ist nicht zufällig. Historisch verbürgt ist ein Morgenkonzert, das Mozart am 26. Mai 1782 an gleicher Stelle gespielt hat. “Nun wird in diesem Sommer durch im Augarten alle Sonntage musique sein”, schrieb Mozart durchaus in Vorfreude im Mai 1782 an seinen Vater. Mit den Open-Airs im Augarten gelingt jenseits der ästhetischen Komponente auch ein organisatorischer Brückenschlag aus dem 18. Jahrhundert in die Gegenwart. Zu Mozarts Zeiten waren solche Konzerte eine Populärmusizierweise für die Massen. Seit den späten 60er Jahren hat auch im Pop die Freiluftkultur einen zumindest kommerziell ungemein hohen Stellenwert bekommen.
Akribische Suche nach Mozart, dem Volksmusikanten
Ganz im Sinn der Haltung der Mozartband soll im Augarten der “Volksmusikant Mozart” gewürdigt werden. Dafür arbeitet die Mozartband am ersten Tag mit dem Prague Chamber Orchestra zusammen. Am zweiten Tag begegnet man Mozart gemeinsam mit der Alegre Correa Group (Featuring Joe Zawinul). Zu den Höhepunkten im Mozartjahr gehören für die Mozartband auch Auftritte im Radiokulturhaus und im Wiener Musikverein. Daneben gibt es zahlreiche Auftritte in TV-Shows und ein Gastspiel beim Donauinselfest.
Im kommenden Frühjahr wird auch eine neue CD (“Volcano Allegre”) erscheinen, bei der das Augenmerk auf noch mehr Improvisation gelegt wurde.
In Salzburg gibt es für den gerockten Mozart im Jubiläumsjahr keinen Platz. In der Geburtsstadt, wo Staribacher mit seiner Band im vergangenen Sommer im Rockhouse gastierte, sind alle Planungen vorerst auf Eis gelegt. Mit der Idee, zur Eröffnung der Festspiele auf dem Domplatz mit einem eigens gestalteten Programm dem Stadt-Genie die Erinnerungsindustrie-Patina herunterzuschmelzen, sei man bisher “nicht so durchgedrungen”. Es gibt aber Gespräche für ein Projekt im Jahr 2007. Die Mozartkugel wird auch ohne Jubeljahr weiterrollen.