Süddeutsche Zeitung vom 04. September 2006
Süddeutsche Zeitung am 04. September
Volcano Allegre
Fast zehn Jahre hat der Wiener Akkordeonkünstler Wolfgang Staribacher gebraucht, um mit seiner Mozartband die CD “Soul” einzuspielen. Obwohl das Material längst konzertreif war, feilte der Perfektionist bis zum Exzess an der rockigen Version früher Mozartstücke und kam damit 2002 auf den Markt. Warum es zur zweiten CD “Volcano Allegre” nur eineinhalb Jahre gedauert hat, ist ein hübsches Geschichtchen. Das Münchner Tollwood-Festival produzierte mit den Erstwerken der Mozartband ein Live-Varieté, welches so erfolgreich war, dass man einen zweiten Satz nachschob, unter der Bedingung, dass Staribacher mindestens fünfzig Prozent neue Mozartmusik liefert. So holte er all seine Ideen aus den Schubladen des Kompositionsschreibtisches, fabrizierte nach bewährtem Muster zehn neue Bearbeitungen und presste das Ergebnis ohne viel Umschweife auf Cd.
Der lebendige Wolfgang ist dem vor 250 Jahren geborenen Wolfgang schon recht seelenverwandt und deswegen in der Lage, dessen Melodien so in die rockige Jetztzeit zu transponieren, dass man immer wieder sagt: So hätte Wolfgang Amadé komponiert, lebte er denn heute. Auf “Volcano allegre” trifft dies noch ein bisschen mehr zu als auf Staribachers Erstwerk. Denn hier hat er den Mut gefunden, allzu Süßliches zu meiden und stattdessen Instrumentalartistik zwischen wilden, fast schon Hendrix-apologetischen Improvisationen, groovendem Blues und filigranem Volkstanz Platz zu geben, was vor allem Dank seiner fulminanten achtköpfigen Band hervorragend gelingt – wobei bei aller Raserei nie der Mozartsche Impetus vergessen wird.
Das Personal wurde teilweise ausgewechselt. Yasmine Piruz ersetzt die zwei “Soul”-Sängerinnen mit einer unglaublich wandelbaren Stimme von Zerlinenhafter Zartheit und wilder Nachtköniginnen-Koloratur, neu im Bunde ist auch die Münchnerin Nicola Walde, die mit sattem Fagott-Ton schon die Introduktion des ersten Stücks darbietet. Dieses “Vanne” der Oper “Il re pastore” entlehnt, zeigt Staribachers Konzept: Sanfter klassischer Tonsatz wechselt in der Durchführung zu fetzigem Rock mit Hammond-B3-Sound: zum gepflegten Sopran gesellt sich die harte Rockstimme von Christian Wolf, Geiger Toni Burger liefert eines seiner fabelhaften Soli, Andrew Jezek jagt den Ton seiner Viola durch den Wha-Wha, Robert Pistracher setzt einen präzisen Bass, und die Percussionisten Markus Perschon und Yogo Pausch sorgen für markigen Drive.
Zum Lieblingsstück aber wurde “Trio”, ein kammermusikalisches Wunderwerk nach einem Motiv aus der 13. Sinfonie. Hier zeigen Burger, Jezek und Staribacher, welche Ohrwurmqualität Mozart schon beim Köchelverzeichnis 112 entwickelt hat. Eleganz, Raffinesse und Eingängigkeit, drei Elemente, die auch Staribachers Band auszeichnet.
Karl Forster